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Naturresort Puradies
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Naturresort Puradies – 
Michael Madreiter
im Interview
 

Interview • Locationtipps

Er ist kein Hotel-Oberlehrer mit erhobenem Zeigefinger. Er hat so seine Probleme mit dem Begriff Nachhaltigkeit. Warum es gerade deswegen für Menschen wichtig ist, Entscheidungen zu treffen, erklärt Puradies-Chef Michael Madreiter im Interview. 

Nicole Spilker
1. Januar 2024

Im 19. Jahrhundert von Uropa Madreiter als Bauernhof auf einem sonnigen Hochplateau in Leogang gegründet, ist der Familienbetrieb mittlerweile einer der inspirierendsten Urlaubsplätze im Salzburger Land. 2016 eröffnete das Puradies so, wie du es heute erlebst. Michael und sein Bruder Philipp stehen heute an der Spitze des Unternehmens. Michael selbst sieht sich als "der Hausmeister" im Hotel, der das Erlebnis Puradies kuratiert und dafür Sorge trägt, dass Visionen nicht nur authentisch gestaltet sondern von allen gelebt werden. Der dreifache Familienvater war in seinem früheren Leben Unternehmensberater in Wien. Warum es ihn wieder zurück in seine Heimat verschlagen hat? Das und vieles mehr erfährst du im Interview.

 

 

 

Michael, bis vor einigen Jahren warst du noch erfolgreicher, international tätiger Unternehmensberater. Was war denn Dein persönlicher Change-Moment?

Das Thema Selbständigkeit war sicher eine treibende Kraft. Und natürlich auch der Wunsch, wieder in die Heimat zurückzukommen. Wien ist schön, aber am Land gibt es noch ein interessanteres Angebot. Durch den touristischen Zugang gibt es hier ja eine brillante Infrastruktur. Außerdem war die heranwachsende Familie ein triftiger Grund. Wir dachten uns, wenn wir uns hier eine Existenz schaffen können, ist das sicher mal ein guter naturnaher Nährboden.

Was hast du aus deinem alten Job mitgenommen?

Ich habe gesehen wie wenige „Umsetzer“ und „Anpacker“ es tatsächlich gibt und gelernt wie wichtig Geschwindigkeit in der Umsetzung von Ideen ist. Viele scheitern ja schon an der bloßen Verwaltung und sind von der Gestaltung ganz weit weg. Ich hatte immer schon viele Ideen, daher haben wir 2007 bereits das Chaletdorf auf meine Initiative hin gebaut und es 2011 erweitert. 2015 war uns dann klar: Wenn man in Leogang als Touristikunternehmen erfolgreich sein will, muss man in der Lage sein, am Mitbewerb in gewisser Weise vorbeizuziehen. Was bedeutet: Viele Investments, und zwar nicht nur finanzielle. Wenn man ein ländlich-bäuerlich aufwächst, weiß man, dass das nur in Einklang mit der Natur geht. Als Bauer lebt man schließlich von ihr, da wird man es tunlichst vermeiden, etwas zu unternehmen, was ihre Nachhaltigkeit in irgendeine Art und Weise gefährdet. Im Grunde besitzt man ja auch nichts, sondern erhält alles nur für die nächste Generation. Es ist dieses tiefe landwirtschaftliche Denken, mit dem man anders an Dinge herangeht. 

Puradies: Ein Paradies nahe der Natur

Vom Konzern-Consulter zum Naturresort-Betreiber, vom Weltreisenden zum Erdigkeits-Hausmeister in Leogang: Michael Madreiter führt gemeinsam mit seiner Familie das Puradies: ein 280 Jahre alter Bauernhof samt Designhotel und neuem Heaven Spa in Leogang. Traditionell – und doch ganz neu, Öko-Zertifizierungen inklusive.

Schaffst du es, dass diese Menschen das Puradies tiefenentspannt verlassen?

Nein, weil es dann nicht nachhaltig wäre. Ich glaube nicht, dass du innerhalb von ein paar Tagen Menschen verändern kannst, wir können aber der Impuls sein. Wir möchten Leute ansprechen, die halbwegs so ticken wie wir. In unserer Gesellschaft bist du es gewohnt, immer alles haben zu können und meist noch zuviel davon. Manchmal verliert man das Gefühl für die richtige Dosis. Aber als Hotelier musst du aufpassen, nicht zu erzieherisch oder zu besserwisserisch zu sein. Die Frage ist: Ab wann inszenierst du dich und dein Unternehmen mehr als es gut wäre? Dann wird es zum Marketing Gag. Und du bekommst genau die Leute, die sich davon angesprochen fühlen. 

Ist man im Vorteil, wenn man aus der Gegend kommt?

Es geht um Bodenständigkeit und insgesamt um eine positive Tourismusgesinnung, alle sitzen im selben Boot, daher muss in aller erster Linie auch die einheimische Bevölkerung an Bord geholt werden. Das gelingt etwa, wenn die Freizeitcentren und Bergbahnen im Winter wie auch im Sommer für die lokalen Familien zu einem attraktiven Preis zugänglich sind. Es gibt zwar immer Menschen, die sagen: Das brauchen wir alles nicht. Die vergessen aber, dass der Wert unserer Region erst durch den Tourismus so überproportional gestiegen ist. Ich glaube, grundsätzlich ist es nie falsch, die Region und seine Bevölkerung mit einzubinden, wenn man was tut. Es macht einfach einen Unterschied, wenn man Türen von einem Tischler aus der Region anfertigen lässt, statt Kunststoffe einzusetzen. Natürlich kostet das mehr. Aber ich hoffe immer, dass die Wertschätzung auch vom Gast am Ende des Tages etwas bei uns ankommt.

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Naturresort Puradies

Wo ist Deine Schwachstelle?

Wir haben uns dem Zertifizierungsprozess, etwa vom Österreichischen Umweltzeichen oder dem EcoLabel, ganz bewusst unterworfen, weil wir mit der Landwirtschaft eh schon bio-zertifiziert waren. Damit ist es verbrieft, dass du Dinge vernünftig machst. Ich bin aber jemand, der sagt: Es muss nicht nur bio oder regional sein – es muss vorallem fair sein. Ein konventionelles Tier, das vom Bauern jeden Tag gestreichelt und gut behandelt wird, ist mir lieber als ein Bio-Kalb von einem Bauern, der schlecht zum Tier ist und den Stall nie ausmistet. Viele Labels sind einfach auch nur ein Marketingschmäh, da möchte ich nicht mitmachen. Das ist sicher eine Schwachstelle, dass wir viel mehr oder es klüger machen als andere, diese sich aber durch gezieltes Greenwashing besser vermarkten. 

Welche Themen ärgern dich, wenn es um Nachhaltigkeit geht?

Die großen Themen lösen wir schon sehr gut. Und wir denken auch immer alles dreimal durch. Es geht immer um Wahrnehmung und Wertschätzung. Ein Beispiel: Das Frühstücksei ist natürlich bio – aber muss ich das immer dazu sagen? Man muss Dinge von der Wiege bis zur Bahre durchdenken, und ich mache die Sachen nicht für den schnellen Gewinn oder eine schöne Instagram-Story. Ich will in der Summe aller Bedingungen einen guten, nachhaltigen Eindruck hinterlassen. 

Wo wird's sonst noch eng

Es ist schwierig alles über die Regionalität zu spielen. Dann bekämen wir spätestens im Winter Probleme – nach dem fünften Knödeltag mit fermentierten Gemüse, meist dann wohl Sauerkraut.

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Puradies / Creating Click

Was sind deine Wünsche für die Zukunft?

Noch mehr Regionalität wäre super. Was aber auch bedeutet, dass die Preise dafür mitgetragen werden müssen. Automatisch bewegt man sich dann auf ein sehr exklusives Niveau zu. Wenn man nur bio/regional einkauft, muss man auch vom Öl bis zum Salz Konsequenzen ziehen. Dann ist es aber auch um ein Viertel oder mehr teurer. Jeder Konsument/Gast übernimmt mit seiner Wahl, in welcher Qualität er schlussendlich isst, die Verantwortung dafür welche Rahmenbedingungen für Herstellung/Produktion geschaffen wurden. Wer ein Schnitzel für 11 EUR ist darf sich nicht über Massentierhaltung beklagen und wer zwei Avocados und Quinoaporrige zum Frühstück bestellt darf auch nicht mit dem Finger zeigen. Mein Wunsch an Gott: Mehr Hirn für alle. Wir haben in der Hotellerie das Problem, dass wir meist Halbpension anbieten. Da wird nicht ganz klar ersichtlich welchen Wert, Frühstück, Nachmittagsjause und mehrgängiges Dinner am Abend wirklich haben. Der Preis ist eingerechnet. Ich glaube jeder sollte den „Preis“ und auch den „Wert“ seiner Konsumation kennen und selbst entscheiden, was man möchte. Wir werden uns von der Halbpension irgendwann verabschieden. 

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Kalkulieren könntest du mit der Halbpension aber besser … 

Das ist richtig. Aber es geht ja um Zufriedenheit. Jeder will glücklich sein. Und wenn ich Urlaub mache, möchte ich mich erholen, gut essen und trinken, vielleicht auch eine Art von nachhaltigen Erlebnissen haben, die irgendetwas besser machen, die sogenannten meaningful moments. Aber meaningful, also bedeutsam oder sinnvoll, kann ja nur etwas sein, zu dem man sich bekennt und was man sich aktiv aussucht. 

Ihr habt 16 Millionen Euro in die Erweiterung investiert – wie viele schlaflose Nächte stecken dahinter?

Keine einzige. Am Ende des Tages geht es ja nicht um Geld, sondern um das, was du damit gemacht hast. Und ob es ein Return-on-investment einbringt. Das ist ein Thema, mit dem vielen Menschen nicht umgehen können. Wir sind im normalen Leben nicht gewohnt, einen Leistungsdruck zu erleben. Für mich bedeutet Change Maker auch, dass ich viel als Holschuld sehe. Aktiv werden und nicht darauf warten, dass es jemand anderes für dich macht. Wenn du selber nicht die Veränderung anstößt, dann ist es, als wartest du am Bahnhof auf ein Schiff. Das wird halt nie kommen. Man muss sich selbst und andere motivieren, etwas zu tun.

Im Puradies steckt so viel Know How und Liebe. Was denkst du dir bei Gästen, die das nicht wertschätzen?

Das ärgert mich nicht, in bin nicht der Oberlehrer mit dem erhobenen Zeigefinger. Es wird immer Menschen geben, die nach dem Motto leben: Zuviel ist nicht genug und weniger ist Selbstbetrug. Man kann Menschen nicht ändern, die anders zivilisiert wurden als man selbst. Es immer eine typische Familie Störenfried, die mit allem und vor allem mit sich selbst unzufrieden ist. Echte Energievampire! Das merkt man bereits bei der Anreise, wir vermerken dann direkt in der internen Hauspost: Achtung, hier wird’s kompliziert. 

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