Portrait Christian Lechner
c Karin Wasner
Sand in Taufers

Christian Lechner – Olm Nature Escape

Interview • Locationtipps

Das ungewöhnliche Gästehaus in Südtirol – eine runde Sache. Warum Olm-Eigentümer Christian Lechner dafür 126 tiefe Löcher in die Alm bohrt, auf der bis vor Kurzem der Bauernhof seiner Familie stand? Was es mit grauer Energie auf sich hat? Und warum er Lore und Heidi nicht mehr nur auf der Weide, sondern auch an der Bar findet, erzählt uns der visionäre Bauherr des Aparthotels im Interview.

Karin Wasner
2. Januar 2024

Olm-Inhaber Christian Lechner ist im Tauferer Ahrntal groß geworden. Wo früher der Bauernhof seiner Familie stand, hat er eines der ersten energieautarken Hotel im Alpenraum gebaut. Seiner Vision vom nachhaltigen Wohlfühlort hat er mit viel Sensibilität für unterschiedliche Bedürfnisse Gestalt gegeben. Neu denken, Dinge laufend verbessern, sich nach der Decke strecken – so tickt und arbeitet der Südtiroler. Dabei setzt er auf die Weisheit der Vielen und entwickelt Konzepte und Gestaltung im Team. Mit Innovationsgeist und Neugierde erschafft er einen Ort, an dem Urlaub in einem größeren Zusammenhang gedacht wird.

Das Olm ist brandneu. Erzähl bitte von den Anfängen – wann und wie hat hier in Kematen - Sand in Taufers, Südtirol, die Geschichte des ungewöhnlichen Gästehauses begonnen?

Wo wir jetzt sitzen stand bis vor Kurzem der Prenn Hof. Er wurde bist 2018 von meinem Onkel bewirtschaftet. Er wollte verkaufen und mir hätte das Herz geblutet, den Ort, an dem ich aufgewachsen bin, in fremde Hände zu geben. Als Jugendlicher habe ich hier die Kühe gemolken und bei der Bewirtschaftung des Hofes mitgearbeitet.

Woher kam die Idee, ein Hotel zu bauen?

Der Ort hier ist etwas ganz Besonderes. Viel Natur, Wanderwege bis vor die Haustür und die tollsten Skigebiete in den Bergen ringsum. Ich wollte diesem Platz Bestimmung und Sinn geben und ihn mit anderen teilen.

Du selbst bist kein Hotelier, hast du dir Unterstützung gesucht?

Ich weiß, was ich kann und was nicht. Ich habe Partner und Berater wie Thomas Steiner ins Boot geholt. Echte Profis, die mich unterstützen, unsere gemeinsame Vision umzusetzen. Außerdem haben wir in einem zehnköpfigen Team vieles gemeinsam diskutiert. Jeder durfte seine Aspekte und Anschauungen einbringen. In diesem Prozess ist viel Gutes entstanden. Es ist gelungen, Astrid Hellweger als Gastgeberin und Berni Aichner als Küchenchef schon beim Start für unser Projekt zu überzeugen. So konnten sie in viele Entscheidungen in der Bauphase mit eingebunden werden.

Olm Nature Escape: Das Green-Power Haus in Südtirol

Abschalten und ausklinken auf der Alm, die hier in den Bergen Olm genannt wird. Südtirols erstes energieautarkes Aparthotel lädt zum Ausbrechen aus dem Alltag und eintauchen in die Natur des Tauferer Ahrntals. Mutige Architektur aus regionalen Baustoffen und regionaler Genuss: eine runde Sache!

Ist Architekt Andreas Gruber auch einer dieser Profis? Sein Architekturbüro ist bekannt dafür, bei Planungen nachhaltige und sozioökonomische Interessen im Blick zu haben.

Ich wollte unbedingt einen Architekten, der kein Hotelplaner ist. Ich wollte etwas Neues, Einzigartiges, keine Kopie. Mit Andreas Gruber habe ich mich sofort verstanden. Was du jetzt siehst, haben wir gemeinsam entwickelt.

Architektonisch ist das Olm einzigartig. Ein Kreis, der wie ein eben gelandetes Raumschiff mitten in der Landschaft liegt. Wessen Idee war die runde Architektur?

Früher wurde hier Getreide angebaut, es gab einige alte Mühlen, die wieder aufgebaut werden sollen. Mit dem Ortsvorsteher von Kematen hab ich mir die alten Mühlen angeschaut und habe dabei den Mühlstein gesehen und ein Foto gemacht. Ich hab es dem Architekten geschickt und ihn gefragt: „Warum machen wir es eigentlich nicht rund?“

Du kommst selbst aus der Baubranche, welche Vision hattet ihr bei der Planung vor Augen?

Cradle to cradle, alles als Kreislauf zu denken. Etwas zu betrachten vom Moment, wo es entsteht, bis zum dem Moment, wo es abgebrochen wird. Ich wollte kein Haus bauen, das man irgendwann als Sondermüll entsorgen muss.

Graue Energie -  was ist das genau?

Graue Energie umfasst die gesamte Energie, die für ein Gebäude aufgewendet werden muss. Das beginnt bei der Gewinnung der Materialien, der Herstellung und Verarbeitung von Bauteilen. Auch alle Transporte zur Baustelle werden da mit eingerechnet, auch die der Menschen oder Maschinen. Bis hin zur Entsorgung des Gebäudes irgendwann in der Zukunft. Es geht darum, etwas zu betrachten, vom dem Moment, wo es entsteht, bis zum dem Moment, wo es abgebrochen wird.

Was bedeutet das für die Gestaltung im Olm?

Wir verwenden Materialien wie Klinker, Glas oder Holz, die eine lange Lebensdauer und eine vernünftige Wiederverwertung ermöglichen. Das Lärchenholz in den Zimmern wird uns alle überdauern.

Ist das bei den aktuell strengen – und nicht immer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten – Bauvorschriften so einfach?

Es braucht viel Knowhow und Beschäftigung mit dem Thema. Der einfache Weg ist es jedenfalls nicht.

Image
Weißer Sessel, der vor einem Fenster steht
c Karin Wasner
Image
Holzsuite im Olm Nature Escape mit privater Sauna und freihstehender Wanne
c Karin Wasner

Was ist euch eingefallen?

In den Gängen verwenden wir Heradesignplatten aus Holzwolle als natürliche Lösung für die Akustik, die die hohen Anforderungen bei Brand-, Wärme- und Schallschutz erfüllen.  Aber auch die Energie, die man für die Instandhaltung braucht, war für uns ein Thema, über das wir viel nachgedacht haben.

Was kam bei diesen Überlegungen heraus?

Zum Beispiel der Waschputz im Außenbereich. Auch bei Glas und beschichtetem Stahl braucht du nichts mehr tun.

Mit deinem Unternehmen setzt du große, bedeutende Bauprojekte um. Nachhaltigkeit ist da nicht unbedingt das Thema Nummer eins. Woher kommt dein Enthusiasmus auf diesem Gebiet?

Schon mein Großvater hat hier im Tal als Gründungsmitglied einer Energiegenossenschaft  ein Elektrizitätswerk gebaut, das die Wasserkraft der Reinbach Wasserfälle nutzt. Die Fridays for Future Bewegung hat mir von Anfang an imponiert. Mit meinem Bauunternehmen waren wir vor einigen Jahren an einem visionären Campus-Projekt beteiligt, das CO2-neutral geplant und umgesetzt wurde. Das wollte ich auch!

Und du hast es geschafft. Wie?

Mithilfe moderner Technik. 1.200 Photovoltaik-Paneele auf unserem 2.388 Quadratmeter großen Flachdach nutzen die Sonnenenergie. Und wir setzen auf Geothermie: Wir haben 126 Erdwärmesonden von je 100 Meter Länge gebohrt. Das ist echte Pionierarbeit, die niemand sieht, weil sie unter der Oberfläche stattfindet. Allein der Platz, den die Geothermie benötigt waren 1,5 Hektar Fläche. Diesen Platz hat ja sonst kaum jemand.

Was bedeutet das konkret?

Geothermie deckt alleine schon 95 Prozent unseres Wärmeenergiebedarfs. Wir mussten zu 100 Prozent sicher sein, wir haben keinen anderen Energieträger vorgesehen. Entweder es funktioniert oder nicht.

Ihr habt also sehr viel Geld in nachhaltige Aspekte gesteckt. Rechnet sich das abseits des guten Gewissens?

Investitionen in Nachhaltigkeit sind auch Investitionen in die Zukunft. Das ist nicht nur etwas für Weltverbesserer. Sie stehen nicht in Kontrast zur Wirtschaftlichkeit. Geothermie und Photovoltaik haben etwa 1,5 Millionen Euro zusätzlich gekostet. Die Energiekosten mit Saunen und Pool würden etwa 250.000 Euro pro Jahr kosten. Diese Investition rechnet sich also schon nach sechs bis sieben Jahren.

Kann ich wirklich mit gutem Gewissen in einem beheizten Pool schwimmen, neben dem im Winter die Eisschollen treiben?

Wir produzieren über 550.000 Kilowattstunden Strom und 800.000 Kilowattstunden an Wärmeenergie pro Jahr. Das ist weit mehr als wir verbrauchen. Für Autarkie war die Speicherung das größte Thema. Da hab ich meinem Großvater zu danken. Dank seines mitbegründeten Elektrizitätswerks können wir das Netz als Speicher nutzen. Untertags speisen wir den Überstrom bei der Elektrizitätsgenossenschaft Winkel ein und nehmen ihn zurück, wenn wir in brauchen.

Was sagst du zum Thema Greenwashing in der Tourismusbranche?

Kohärenz zwischen dem, was man sagt, und dem, was man tut, ist mir extrem wichtig. Ich will keine Luftschlösser bauen, sondern das, was wir sind und was uns wichtig ist, erzählen und nicht mehr. Sich ein grünes Mascherl umbinden, indem man sagt, wir heizen den Pool ja nur mehr auf 30 Grad statt auf 33, und wir sperren die Saunen zwei Stunden früher zu – so etwas wollte ich auf keinen Fall.

Hier bekommst du jede Menge achtsame Tipps für Reisen –
und ein gutes Gefühl für deinen nächsten Urlaub. 

Melde dich zum Good News-Letter der change maker Hotels an!

Früher war hier größtenteils Weideland, der Bau war ein massiver Eingriff in die Landschaft. Was tut ihr, für die umliegende Natur- und Kulturlandschaft?

Ab Mai bis Anfang November weiden auf den Almen um das Hotel nach wie vor 100 Jungkühe. Wir haben bewusst den Garten des Aparthotels innerhalb des Kreises positioniert, der Außenbereich wird dann bis auf einen kleinen gepflegten Bereich abgezäunt und mit Schafen beweidet. Da soll Wiese nach wie vor Wiese sein.

Bei der Kulinarik geht ihr ganz eigene Wege. Warum?

Wir sind kein klassisches Hotel mit Halbpension, aber auch kein klassisches Aparthotel, wo der Service auf Minimum zurückgeschraubt wird. Wir wollen unseren Gästen die Freiheit geben, zu entscheiden. Wichtig war uns: man soll sich nicht mehr ins Auto setzen müssen und trotzdem immer mit bester Qualität versorgt sein.

"Genuss nach Lust" heißt das innovative Konzept, das euer Küchenchef Berni Aichner gemeinsam mit Spitzenkoch Theodor Falser entwickelt hat. Worum geht’s dabei?

Um Individualität und das Eingehen auf unterschiedliche Bedürfnisse. In den Wohneinheiten kann man selbst kochen oder täglich entscheiden, ob man frühstücken oder abends die gebotene Kulinarik in Anspruch nehmen will.

Berni steht in der Frontküche und erklärt die Gerichte, oft auch, wo einzelne Produkte herkommen. Bedeutet das Transparenz?

Wir wollten Küche und Koch raus zum Gast bringen. Berni lebt in der Region, er kennt viele Produzentinnen und Landwirte persönlich. Seine Leidenschaft und seinen Enthusiasmus bei der Arbeit zu erleben, erzeugt ein anderes Bewusstsein für das Essen, als wenn der Koch im Verborgenen werkt.

Image
c Karin Wasner

Ein paar Wochen nach dem Start, was geht dir im Kopf herum?

Die Liste der Dinge, die wir noch neu denken wollen, ist aktuell drei Seiten lang. Aber so soll es sein: kein Stillstand. Wir wollen uns immer weiter verbessern und nach einer neuen Decke strecken.

Was sind deine Wünsche für die Zukunft?

Mit diesem tollen Team viele Jahre gemeinsam gestalten, weiterentwickeln und natürlich auch Erfolge feiern. Im Tourismus wird viel „Mist“ verkauft, der rein ökonomisch momentan noch funktioniert. Im OLM zahlen die Gäste für den CO2-freien Fußabdruck auf Reisen keinen Cent mehr. Ich hoffe, dass die Gesellschaft für ein Haus wie dieses reif ist. Und dass wir andere inspirieren, in dieselbe Richtung zu streben.

Visionär*innen